Geschichte

1200 Jahre Ergersheim

Die erste urkundliche Erwähnung

Als ich vor gut einem Jahr dienstlich in Fulda zu tun hatte, nahm ich mir die Zeit, um in der Bibliothek des dortigen Klosters ein wenig nach den vielfältigen Beziehungen dieser schon im Jahre 744 von einem Schüler des hl. Bonifatius gegründeten Einrichtung zu unserer fränkischen Heimat zu „schnüffeln“. Und schon war ich auf dem glatten historischen Parkett ausgerutscht; denn das eigentlicher Kloster Fulda ist bereits der Säkularisation zum Opfer gefallen und ich mußte mit einem freundlichen Mönch des heutigen Franziskanerklosters Vorlieb nehmen. Doch er kannte sich aus, zeigte mir das alte Urkundenbuch des Klosters Fulda und wir fanden sehr schnell die erste Ergersheim betreffende Urkunde. Vor mir gab es allerdings auch schon Schlauere; denn die Urkunde ist bereits in der Ergersheimer Dorfchronik verzeichnet:

Auszug aus dem Urkundenbuch des Klosters Fulda:

(1. Band, bearbeitet von Edmund E. Stengel, 2. Teil, Zeit des Abtes Baugulf)

417 Grawolf und seine Gattin Deura übertragen Liegenschaften zu Buchheim und Ergersheim (780 – 802).

Grawolf et uxor eius Deura traditerunt sancto Benifacio predia suo in villa Bouchheim et Argisesheim Cum familiis et substantiis eorum.

Cod. Eberh. I f. 144 Cartular-Ausz. (E) = Cap. III. f. 95 (e). Schannat Trad. 282 cap. I nr. 21 – Dronke Trad. 17 cap. 4 nr. 33.

Die Einreihung der Urkunde wird dadurch bestimmt, daß sie im Ostfranken – Cartular zwischen den sicher baugulfischen Urkunden 223 und 419 stehen.

Das Datum der Urkunde ist unbestimmt (780 – 802), mit Sicherheit aber läßt sich sagen, daß sie in dieser Zeit verfaßt wurde. Die Einreihung der Urkunde wird nämlich dadurch bestimmt, daß sie im Ostfranken-Cartular zwischen den baugulfischen Urkunden 223 und 419 steht, die genau in diesen Zeitraum gehören. Baugulf war der damalige Abt des Klosters Fulda.

Eine Verwechslung mit einem anderen Ergersheim scheint ausgeschlossen, weil auch das Nachbardorf Buchheim mit aufgeführt ist und auch in späteren Urkunden bei Grundstücksgeschäften die „Partnerschaft “ mit Buchheim auffällt.

Gewagt, aber reizvoll ist der Sprung in die jüngste Geschichte mit der Frage, warum Buchheim nicht auch bei der Gebietsreform eine „Ehe“ mit Ergersheim eingegangen ist, wenn schon so früh so gute Beziehungen bestanden haben? Ich kann mich jedoch nur an sehr zähe Auseinandersetzungen im Gemeinderat von Buchheim erinnern, als das Hauptargument des Landratsamtes für eine einheitliche ländlichen Struktur zweimal zu einem Eingemeindungsbeschluß für Ergersheim führte, den der damalige Bürgermeister mit der unrealistischen Hoffnung auf Selbständigkeit immer wieder revidieren konnte, mit der Folge der Eingemeindung in die Stadt Burgbernheim. Aber auch das ist jetzt schon Geschichte!

Die 1200-Jahrfeier der Gemeinde Ergersheim ist damit zwar nicht auf das Jahr genau fixiert, aber sicher historisch legitimiert und findet eher zu spät als zu früh statt. Im Jahre 800 war übrigens auch die Kaiserkrönung Karls des Großen, von dem noch die Rede sein wird, weil er unsere fränkische Heimat besonders stark geprägt hat. Wie ich meine, eine wichtige und würdige Anknüpfung für diese Jubiläumsfeier.

Ein Hinweis sei mir dazu noch erlaubt: Der Name der Stadt „Norenberc“ erscheint erstmals in einer kaiserlichen Urkunde aus dem Jahre 1050 und selbst der Nachbar Windsheim schafft nur in etwa die Gleichzeitigkeit mit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 791!

Nicht vergessen werden dürfen die Ortsteile der Gemeinde Ergersheim: Seenheim erscheint erstmals in einer Urkunde des Klosters Lorsch, die zwischen den Jahren 830 – 850 datiert ist („in Seheim sunt hube XV“). Ulricus de Erbresteshofen (Ermetzhofen) zeugte ca. 1190 – 1213 für den Abt Gottfried von Münster-Schwarzach.

Neuherberg wird in einer Rothenburger Urkunde aus dem Jahre 1280 erstmals benannt (Achtbuch der Stadt Rothenburg: „Geächtet wird auf Klage des Fridericus de Windsheim Gerhartus de Elvershoven“).

Die Zeit und das Leben vor den Urkunden

….reicht weit zurück in das Dunkel der Geschichte! Menschen gab es in unserer Heimat schon viele tausend Jahre vor Christi Geburt, als Großwildjäger in der Altsteinzeit und seßhafter werdend in der Jungsteinzeit (seit 3000 v. Chr.). Vom Töpfern, Steine schleifen und bohren sowie vom Getreide bauen, zeugen zahlreiche Funde In der fruchtbaren Gegend zwischen Hohlach, Uffenheim, Bullenheim und Ergersheim. Besonders interessant sind die „Kanonenkugeln“ vom Altenberg bei Ergersheim, mit denen unsere Vorfahren die Tierknochen aufschlugen, um das gute Mark essen zu können. Auf die bandkeramischen Siedlungsfunde nordwestlich des Bahnhofs Ermetzhofen möchte ich besonders hinweisen.

Aus der Bronzezeit (seit 1800 v.Chr.) gibt es Grabhügelfunde auch in Ergersheim und viele andere Zeugnisse der frühen Besiedlung, die z.B. durch den Gipsabbau der Firma Knauf erst in jüngster Zeit ans Tageslicht kamen.

450 v.Chr. beginnt die Zeit der Kelten. Man denke an die „Vier-eckschanzen“ von Hinterpfeinach und an die Goldfunde vom Bullenheimer Berg, die erst vor wenigen Jahren einen modernen Krimi auslösten: von der räuberischen Schatzsuche mit modernen elektromagnetischen Sonden bis zum teuren Ankauf der Funde durch das Bayer. Landesamt für Denkmalpflege.

Dann kamen die Germanen zwischen dem 3. und 5. Jh. n.Chr. in unsere Gegend, vor allem die Burgunder und Allemannen. Die be-rühmteste Ergersheimerin aus dieser Zeit der Völkerwanderung ruht heute im Gollachgau-Museum in Uffenheim, geschmückt mit einer bronzenen Kleiderfibel. Sie wurde beim Bau der Umgehungsstraße von Ergersheim gefunden und der Volksmund nennt sie liebevoll „Ergi “ in Anlehnung an das berühmte Vorbild aus dem Ötztal.

Von Tacitus über Marx und Engels bis heute

„Der römische Schriftsteller Tacitus (55 – 116 n.Chr.) beschreibt diese unsere Vorfahren als erster in seiner „Germania“:
„Auf Vorzeichen und Loswerfen achten die Germanen ganz be-sonders. Land, welches für den Ackerbau ausersehen ist, wird von der Gesamtheit zum allgemeinen Nutzen in Anspruch genommen. Sie verteilen es unter sich nach Verdienst und Würde. Im Anbau des Feldes wechseln sie jährlich und es bleibt noch Land brach liegen. Geselligkeit und Gastfreundschaft pflegt kein Volk so ausgiebig.“

Dies ist das klassische Zeugnis für das germanische Bodenrecht! Doch es entwickelten sich hieraus ganz verschiedene Theorien. In der Rechtsgeschichte wurde zunächst die Auffassung vertreten, daß Haus und Hof umfriedeter Besitz der einzelnen Familien war, die Nutzung der Felder aber jährlich neu zugeteilt wurde. Man sprach von der urgermanischen Markgenossenschaft und fast selbstverständlich wurde sie von Marx und Engels als die Wurzel des Agrarkommunismus bezeichnet: Das Gemeineigentum der freien Germanen am nutzbaren Land! Daß sich auch die Nationalsozialisten hier ihre geistigen Anleihen holten, mutet fast wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an.

Die Wirtschaftsgeschichte hat jedoch nachgewiesen, daß die Markgenossenschaften erst im Mittelalter entstanden sind, vor allem aber bezogen auf die Allmendenutzung der unverteilten Naturschätze wie Wald, Weide, Wasser Steinbrüche usw. Mit zunehmender Siedlungsdichte verstärkte sich der Kampf um den Besitz und es war ein Entwicklungsprozeß zu einer dauerhafteren Ord-nung, wobei auch die Grundherrn oft ein wichtiges Wort mitzureden hatten.

Dieser Entwicklungsprozeß hat sich bis in die jüngste Zeit fortgesetzt. Man denke z.B. daran, daß sich die politische Gemeinde und ihr Eigentum erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts entwickelt hat und es vor und bei Anlegung der Grundbücher in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts heftige Auseinandersetzungen über das private und gemeindliche Eigentum gegeben hat. In einem Fall hat man sogar einen Justizassessor mit einem Schinken bestochen, damit er die Gemeinde nicht als Eigentümerin ins Grund-buch einträgt. Durchsetzungsvermögen, gepaart mit Schlitzohrigkeit, haben es manchmal geschafft (z.B. auch in Ermetzhofen), daß aus der alten Allmendenutzung im vorigen Jahrhundert ein privater Körperschaftswald wurde und es bis heute blieb, während in vielen anderen Fällen das Eigentum der Gemeinde lediglich Gemeindenutzungsrechte zuließ, die bei einer Ablösung der Gemeinde oft 60 % des Waldes als unbelastetes Eigentum bescherte und den Rechtlern entsprechend weniger (ausführlicher zu alledem: Hillermeier, Die Freimarkung Osing, 1994, S. 23, 38 ff.): Damit will ich aber nicht gesagt haben, daß die Ermetzhöfer gegenüber den Ergersheimern die größeren Schlitzohren waren.

Fränkische Landnahme und Christianisierung

Eine intensivere Nutzung des Landes findet dann durch die Franken statt, die nach langen Kämpfen mit den Römern und dem Ostgotenkönig Theoderich sich nach Osten orientierten. Nach dem Sieg über die Alemannen und Thüringer läßt sich der erste bedeutende Frankenkönig Chlodwig (482 – 511) von Bischof Remigius in Reims 498 taufen und eröffnete damit auch den Siegeszug des Christentums in unseren Landen.

Die Besitznahme des ostfränkischen Gebietes durch die Franken erfolgte über eine lange Zeit. Man rechnet von 500 bis 1000 n.Chr. Die Landnahme erfolgte politisch und wirtschaftlich mit einer mehr oder weniger großen Anzahl von Siedlern in den jeweiligen Gauen, wobei die vorhandene Bevölkerung einfach eingegliedert wurde. Dies gilt auch für den Bereich zwischen Gollachgau, Steigerwald und Frankenhöhe. Das archäologische Zeichen der Merowingerzeit, das Reihengrab, findet sich bei uns in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts bereits relativ häufig (z.B. in Altheim, Herrnberchtheim und Enheim). Elisabeth Fuchshuber spricht in ihrem fundierten Ortsnamensbuch von einer „dünnen fränkischen Oberschicht und einer breiten germanisch-vorfränkischen Unterschicht „.

Offenbar sorgten aber die zahlenmäßig geringer vertretenen Franken für die Urbarmachung des Landes durch die bereits ansässigen Einwohner, indem sie neue Anregungen einbrachten. Dazu gehörte ohne Zweifel eine intensivere Landwirtschaft und der Weinanbau, der in Franken bis ins 7. Jh. zurück verfolgt werden kann.

Heute geht man davon aus, daß in der Merowingerzeit (482 bis 714) vier Urgaue bei uns bestanden: Der Gollachgau, der Rangau, der Ehegau und der Iffgau. Bei der damaligen Landnahme entstanden auch die vielen Orte mit den Endsilben -heim und -hofen, wobei wir schon fast wieder in unserer Urkundenzeit angelangt sind. Nach Missionsanfängen durch irische Missionsbischöfe (um 685) erfolgte die Gründung des Bistums Würzburg durch Herzog Karlmann und den hl. Bonifatius im Jahre 741* für ganz Ostfranken. Damit beginnt der Herrschaftsausbau und die Christianisierung auf dem flachen Lande.

Das Europa Karls des Großen (768 – 814)

Diese Zeit hat unser Land besonders nachhaltig geprägt. Karl der Große schuf ein europäisches Großreich, das in seiner geographi-schen Ausdehnung an die heutige Europäische Union erinnert: Vom Mittelmeer bis zur Nordsee, vom Atlantik bis hinein in den slawischen Raum – vor allem mit dem Schwert!

Man denke insbesondere an die äußerst blutige Unterwerfung der Sachsen, einschließlich zahlreicher Massentaufen. Die Kirche stand nicht abseits. Karl der Große empfing mit großen Ehren in Paderborn Papst Leo III., der nach einem Attentat aus Rom geflohen war, um bei dem erfolgreichen Feldherrn Schutz zu suchen. Und dieser konnte sich als Hüter des Christentums präsentieren, weshalb ihn im folgenden Jahre 800 der dankbare Papst zum Kaiser krönte. Damit erstrahlte der Glanz Karls des Großen in einem fast unvorstellbaren Ausmaß und er wurde bereits damals in einem Epos der pater europae, der Vater Europas genannt.

Doch welches Chaos herrschte im Innern des Riesenreiches, ohne moderne Verkehrswege und Kommunikationsmittel? Heute kaum vorstellbar, aber es gab damals überörtliche Ver-kehrswege, auf denen wichtige Handelsgüter transportiert wurden (insbesondere Waffen, Glas- und Bundmetallwaren, Keramik, Specksteine, Mühlsteine aus Basalt, Baumaterialien, Fässer aus Tannenholz, Gewürze, Arzneien u.v.m.). Eine der wichtigsten Stra-ßen verlief vom berühmten Haithabu bei Schleswig über Paderborn, Würzburg, Nürnberg, nach Regensburg. Ausgrabungen bei Paderborn haben gezeigt, daß dort die Straße – natürlich nicht überall – geschottert 12 Meter breit war.

Fernkaufleute waren überwiegend Fremde, im Süden Venetianer, Levantiner und Juden, im Norden Engländer, Friesen und Skandinavier. Kaum weiß man, daß das Haupthandelsgut aus dem Nor-den und Osten die „menschliche“ Ware war. So verkaufte z.B. der fränkische Adelige Eberhard aus dem Norden des Reiches quer durch Gallien und Spanien im Jahre 822 an den Emir von Cordoba 5000 Sklaven – damals ein einträgliches Geschäft, bis 30 Silberschillinge für einen Sklaven!

Die inneren Stützen des Reiches aber waren vor allem die zahlrei-chen Pfalzen und Königshöfe (26 allein in Ostfranken, darunter aus unserem Bereich Gollhofen, Burgbernheim, Ickelheim – mit dem im Jahre 741 aufgelösten Windsheim – und Riedfeld in Neustadt/Aisch) sowie die vielen Höfe der großen Grundherren – und nicht zu vergessen: die Klöster! Sie alle waren Kleinzentren des Handels, der Wirtschaft und auch des kulturellen Lebens. Dabei spielte das Handwerk in seinen vielfältigen Formen eine besonders bedeutsame Rolle.

Auszug aus den Kapitularien und der Hofgüterordnung Karls des Großen (Capitulare de villis): „Jeder Amtmann soll in seinem Bezirk tüchtige Handwerker zur Hand haben: Grob -, Gold -, und Silberschmiede, Schuster, Drechsler, Stellmacher, Schildma-cher, Fischer, Falkner, Seifensieder, Brauer – Leute, die Bier, Apfel- und Birnenmost oder andere gute Getränke zu bereiten verstehen – Bäcker, die Semmeln für unseren Hofhalt backen, Netzmacher, die Netze für die Jagd, für Fisch- und Vogelfang zu fertigen wissen und sonstige Dienstleute, deren Aufzählung zu umständlich wäre … unseren Frauenarbeitshäusern soll man, wie verordnet, zu rechter Zeit, Material liefern, also Flachs, Wolle, Waid, Scharlach, Krapp, Wollkämme, Kardendisteln, Seife, Fett, Gefäße und die übrigen kleinen Dinge, die dort benötigt werden.“ (Übersetzung nach Franz 1967)

Kaufleute und Handwerker gehörten in der Regel zu den Abhängigen des Königs, der Bischöfe und der sonstigen Grundherrn und handelten in deren Auftrag. Die erzielten Überschüsse waren die Grundlage für den ausgedehnten Handel. Im übrigen dienten handwerkliche Fähigkeiten, welche regelmäßig in den einzelnen Siedlungen nicht „hauptamtlich“ ausgeübt wurden, im wesentlichen der Eigenversorgung (Textilherstellung, Holz- und Schmiede-arbeiten u.a.).

Heute gibt es diese Eigenversorgung kaum noch. Die Weltoffenheit und Globalisierung der Wirtschaft sowie die enorme Reduzierung der bäuerlichen Betriebe schufen eine andere Struktur. Immer nötiger wurden Arbeitsplätze vor Ort für viele Alt- und Neusiedler, um das Auspendeln und Abwandern zu stoppen. Dies ist der Gemeinde Ergersheim hervorragend gelungen, obwohl viele Verantwortliche (insbesondere die Regierung von Mittelfranken, das Landwirtschaftsamt und der Bauernverband) wegen angeblicher Gefährdung der dörflichen Struktur anfangs sehr entschieden gerade gegen die Ansiedlung der Firma waren, unter deren Dach wir heute feiern.

Ich selbst mußte mir den Vorwurf „der Gefährdung des Rechtsstaats“ durch den damaligen Regierungsvizepräsidenten gefallen lassen, nur weil ich in dieser Frage Landrat Pfeifer nachdrücklich unterstützte. Die Regierung lenkte dann aber ein und gab so den Ausschlag für die weitere positive Entwicklung der Gemeinde. Nun, auch dies ist schon Geschichte, aber Ergersheim ist heute wirtschaftlich so stark, daß es vom Freistaat Bayern als einzige Gemeinde des Landkreises seit Jahren keine Schlüsselzu-weisungen mehr erhält. Humorvoll möchte ich formulieren: Gips, Wein und Autospiegel, sind Ergersheimer Gütesiegel !

Schenkungen für eine bessere Welt?

Ein besonderes Kapitel fränkischen Dorflebens soll nicht unerwähnt bleiben:

Fast kann man sagen, daß durch alle Jahrhunderte hindurch, vor allem aber im „finsteren“ Mittelalter, Schenkungen in großem Um-fang insbesondere an Klöster erfolgt sind, die wir in unserer egozentrischen Zeit heute kaum noch verstehen. Hier nur einige Beispiele:

1103:
Güterschenkung in Ostfranken an das Kloster Hirsau; un-ter den Orten, aus denen Gütter geschenkt wurden: Argirsheim (= Ergersheim)!

1108:
Die Freie Heriwic und ihr Sohn Eberwin schenken dem Kloster St.Stephan in Würzburg u.a. 10 Mansen in Ergersheim, die der Heriwic noch verbleiben sollen, solange sie am Leben ist;

1135:
Encger schenkt dem Kloster St. Stephan bei seinem Eintritt in dasselbe sein Gut in Ergersheim;

1255:
Lupold von Nordenberg, Reichsküchenmeister, gibt bekannt, dass er Seelgerät stiften will, welches unter anderem mit Gütern aus Ergersheim ausgestattet sein soll;

1278:
Otto Pistor in Rothenburg und seine Frau Hedewigis vermachen dem Dominikanerkloster zu ihrem Seelenheil nach ihrem Tode ein Gut im Dorf Ergersheim;

1317:
Die Schoder-Seelenmesse in der Pfarrkirche zu Windsheim ist u.a. mit Gilten aus Ergersheim ausgestattet;

1336:
Kunigunde Knöttin von Winßheim stiftet dem Franziskanerkloster in Rothenburg eine Gült aus einem Gut zu Ergersheim.

Solche u.ä. Urkunden könnten fast endlos aufgezählt werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der in Würzburg tätige Notar Gotfridus zu Ergersheim zahlreiche Schenkungen beurkundet hat, so z.B. die der Eheleute Conradus und Husa über ein ewiges Licht und 3 Joch Weinwachs in Würzburg und Ebrach. „Das ewige Licht soll von den Einkünften aus diesen Weinbergen auf ewige Zeiten unterhalten werden und Tag und Nacht in der Kirche des Spitals brennen. Nach dem Tode der Eheleute fallen die Weinberge an das Spital. Die Eheleute geloben Einhaltung der Schenkung und den Verzicht auf alle Rechtsmittel dagegen.“ (Urkundenbuch des Bürgerspitals Würzburg Nr.26, 1335)

War es die Sorge um das Jenseits, Frömmigkeit, Wohlhabenheit oder eine Mischung aus alledem, was die Bürger zu solchen Schenkungen bewegte?

Dazu ein Beispiel: Bischof Manegoldus von Würzburg gewährte nach einer Urkunde aus dem Jahre 1292 allen, die an den kirchlichen Festen teilnehmen oder das Spital des hl. Geistes in Rothenburg durch Spenden unterstützen, einen Ablaß von 40 Tagen für schwere und 1 Jahr für läßliche Sünden – die Reformation ließ allerdings noch über 200 Jahre auf sich warten!

Oft war mit den Schenkungen eine Art Leibgeding verbunden, wo-nach Klöster und Spitäler für den lebenslangen Unterhalt der Stifter zu sorgen hatten. Also doch nicht ganz so uneigennützig, andererseits aber hoch modern, wenn man die heutigen Forderungen nach einer privaten Altersvorsorge bedenkt. Und dies offenbar ohne obrigkeitliche Vorschriften, welche heute nicht selten die Eigen-initiative und Selbstverantwortung lähmen. Man denke nur an moderne Hofübergaben, wenn in den Verträgen nicht mehr wie früher die „Wart und Pflege“ für die älteren Leute geregelt wird, weil man Angst hat dadurch den Rechtsanspruch auf Sozialhilfe zu verlieren.

Die Kirchen und ein besonderer Vorschlag

Über ihre Kirchen könnte man viel erzählen. Über die Pfarrkirche St. Margaretha in Seenheim, die als Tochterkirche von Gollhofen 1528 anläßlich der Reformation zur Pfarrei erhoben wurde. Die Kirche St. Andreas aus dem Jahre 1741, als Nachfolgerin einer 1337 erbauten Kapelle in Elvershoven (Neuherberg).

Der Pfarrkirche Heilig-kreuz in Ermetzhofen, für die erstmals 1336 ein Pfarrer benannt wurde und die beiden Kirchen in Ergersheim:

  • St. Ursula, die Mutterpfarrei der umliegenden Orte Ermetzhofen, Neuherberg und Rudolzhofen, 1288 erstmals urkundlich erwähnt, mit dem Patronat der Deutschordenskommende zu Virnsberg, einem beachtenswerten Flügelaltar vom sog. Meister des Martha-Altars zu Nürnberg um 1515 sowie einer Büste der hl. Ursula aus der Zeit um 1400 und 
  • die Kapelle St. Stephan, ein spätgotischer Bau aus der Zeit um 1400, der eigentlich immer vernachlässigt wurde.

Ein Appell an die Denkmalschützer und Kommunalpolitiker: Wie wäre es mit einer Einbindung in das Freiland-Museum in Bad Windsheim als spezielles Museum für den freiheitlichen Geist fränkischer Dorfgemeinden. Material dafür gäbe es genug und die Notwendigkeit dafür wäre in unserer angepaßten Zeit auch reichlich vorhanden. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass der Bad Windsheimer Bad – Express zur Belustigung und Erbauung der Kurgäste, unter Berücksichtigung der örtlichen Gastronomie, über den Kehrenberg den Osing ansteuert – ein noch lebendiges und einmaliges Denkmal der Rechts- und Kulturgeschichte in unserer Heimat. Dann könnte Bad Windsheim auch einmal konkret etwas für sein Umland tun.

Ein Traum von bäuerlicher Freiheit oder die Ergersheimer, die Markgrafen und der Kaiser

Die Zeiten des Aufbruchs und der Landnahme gingen auch für die Franken langsam aber sicher vorüber – Hand in Hand mit den immer stärkeren Ausprägungen herrschaftlicher Strukturen auch im ländlichen Raum. Kaiser und Reich, vor allem aber die erstarkenden Territorialherrn unterschiedlichster Prägung, verlangten ihren Tribut, nicht zuletzt für ihre Kriegsunternehmungen und für eine feudalere Lebensführung.

Dazu nur ein kleines Beispiel:

„Burggraf Fridrich zu Naremberg nimmt die gemeinschafft des Dorfes Ergersheim in seinen Schutz, der jedes Jahr von beiden Partei-en gekündigt werden kann. Ergersheim zahlt dafür jährlich an Martini 30 Malter Hafer“ (Urkunde aus dem Stadtarchiv Rothenburg vom 28. April 1394).
Ähnliche Urkunden gab es später noch viele (insbesondere von den Ansbacher Markgrafen). Aus diesem immer wieder erneuerten Kündigungsrecht folgerte man – logisch zu Recht – die Freiheit von herrschaftlichen Zwängen. Doch wie wir noch sehen werden, die jeweiligen Machtverhältnisse waren stärker! Eine geraume Zeit später kamen die Bauernkriege und man wollte sich nichts mehr gefallen lassen, man forderte u.a.:

  • Freie Pfarrerwahl und Predigt des lauteren Evangeliums;
  • Aufhebung der Leibeigenschaft;
  • Freie Jagd und Fischfang;
  • Abschaffung willkürlicher Lehensleistungen;
  • Erleichterung der Frondienste;
  • Gerechtigkeit und Unparteilichkeit im Strafverfahren

Im Jahre 1525 wurden auch die Ergersheimer in den großen Bauernaufruhr verwickelt, tauschten in Nürnberg Meßgeräte und Glocken gegen Waffen und zogen mit 20.000 Gleichgesinnten vom Steigerwald und von der Landwehr über den Ochsenfurter Gau und das damals markgräfliche Kitzingen, Klöster plündernd sowie Burgen und Schlösser schleifend, gen Würzburg.

Doch die Niederschlagung des Aufstands kam bald und auch die Strafe des Landesherrn. In ihrer Dorfchronik ist dies wie folgt verzeichnet:

„Am dritten Pfingsttage des Jahres 1525 … brandschatzte Markgraf Kasimir… Ergerßa… um 900 Gulden, auch fing er ihrer 3 und ließ ih-nen die Köpf abschlagen“.
Über ein Jahrhundert später träumten die Einwohner von Ergersheim sogar von der Reichs-Unmittelbarkeit und hatten einen Freibrief, was immer der auch wert war.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1683 aus dem Stadtarchiv Burgbernheim wird dies, neben einer allgemeinen Beschreibung des Ortes, bezeugt: „Ergersheim ist ein Dorff mit zwey Kirchen.. die eine ödt, Ein Schul und ein Hirtenhauß, Ingleichen auch eine Rossmüel, dann sind noch 85 bewohnte Haußhalten.. Dann seind noch öde pläz alda: 8 Herrschaftl. (= brandenbg.-bayreuth.); 4 Onolzbach, 11 Virnsperg,3 Adel. Seckendorff, 2 Windsheim, 3 Johanniter… Die gesampte Un-terthanen zue Ergersheim haben craft ihres Freyheits-Brieffs macht, zue einem Schutzherrn anzunemen, wen Sie wollen, demselben auch wieder aufzuekünden, und wann die bedungene Zeit aus, einen andern zuerwehlen… Mit dem Kirchweyschutz des Orts hat es gleiche Beschaffenheit „.

Die stolzen Bewohner von Ergersheim trauten sich jedoch noch mehr zu (Zitat aus Wilhelm Wenker, Uffenheimer Geschichte und Geschichten, 1.Bd., S. 189; ausführlich dazu Senatspräsident Joh. Weiß, Rudolzhofen, 3.Bd., S. 215 ff. und auszugsweise in der Dorf-chronik S. 106 ff.):

„Was die Einwohner in der neuen Zeit von einer eingebildeten Reichs-Unmittelbarkeit sich haben träumen lassen, dabey diesel-ben sich eines eigenen und nachher auf kaiserlichen Befehl auf-gehobenen Siegels anmaßten, in welchem zwei gegeneinander, auf einem gepflasterten Weg stehende Kirchen und zwischen diesen ein grüner Baum zu sehen war mit der Umschrift: FREJFLECK ERGERSHEJM. Davon findet sich in einem im Jahre 1730 zu Ansbach durch den Druck bekannt gewordenen Schreiben ausführliche Nachricht unter dem Titel: Gründliche und aktenmäßige Species-Facti in causa der unruhigen Dorfs- und Bauerngemeinde zu Ergersheim contra das Hoch-Fürstl. Hauß Brandenburg-Onolz-bach“.

Die von den Ergersheimern beim kaiserlichen Reichshofrat in Wien eingereichte Klage führte zu einem Prozeß, der von 1725 – 1744 dauerte. Die heute noch in Wien vorhandenen Akten wurden vom Reichshofrat selbst als Aktenungeheuer bezeichnet, sie stapelten sich vom Boden bis zur Höhe eines Tisches. Der Prozeß aber verlief im Sande, er wurde nie entschieden!

Einige Einzelheiten dieses Prozesses sind recht interessant. So wird die Verärgerung der markgräflichen Regierung durch folgende Äußerung anschaulich dokumentiert:

„Es ist unerklärlich, wie die Ergersheimer auf die unerhörte Toll-kühnheit verfallen konnten, sich von der bisherigen Landesunter-tänigkeit loszumachen und sich zu einem reichsfreien Flecken zu erklären. Es habe sich auch ein gewinnsüchtiger Rechtsanwalt ge-funden, der seine zwar einfältigen, jedoch durch Bosheit, Halsstar-rigkeit und Ungehorsam sich auszeichnenden Auftraggeber der-gestalt aufgewiegelt habe, daß sie ihm 1725 die Vollmacht gaben, gegen ihren angeborenen und erbgehuldigten Landesherrn eine Klage beim kaiserlichen Reichshofrat einzureichen.“

Eine kaiserlichen Verfügung vom 20. 3. 1731 an die markgräfliche Regierung in Ansbach besagt, daß der Kaiser (es war übrigens Karl VI., 1685 – 1740) mißfällig habe vernehmen müssen, dass der Markgraf (Carl Wilhelm Friederich, 1729 – 57) „während des Rechtsstreites und entgegen kaiserlichen Ermahnungen und Ver-ordnungen seine Miliz zu Roß und Fuß gewaltsame Einfälle und Tätlichkeiten in Ergersheim habe vornehmen lassen, auch Einwohner von Ergersheim in Uffenheim gefangen genommen und unzulässige Straf-Einquartierungen durchgeführt habe.

„Die Ergersheimer brachten ihre Schriftsätze auf Umwegen nach Wien, weil sie Gewalttätigkeiten der markgräflichen Beamten be-fürchteten. Sie beschwerten sich beim kaiserlichen Reichshofrat und dieser ersuchte die markgräfliche Regierung in Ansbach, den Gesuchsstellern „ihr Gesuch und ihre Reise nach Wien nicht ent-gelten zu lassen und sie weder mit Gefängnis, Geldstrafe oder an-deren Strafen zu belegen.“

Den Ergersheimern wurde am 25.02.1738 eröffnet, dass sie ihre Steuern binnen acht Tagen zur Vermeidung der Zwangsbeitreibung und der Gefangennahme zu erledigen haben. Nachdem dies nicht geschah, kamen die markgräflichen Beamten mit 50 Landwehrsoldaten „fielen in die Häuser ein und nahmen daraus Vieh, Betten, Kupfer- und Zinngeräte, die sie zusammen mit den Männern nach Uffenheim brachten. Dort wurden die Bauern in Haft genommen und die beschlagnahmten Sachen am nächsten Tag an die Juden verkauft.“

Immer wieder meinten die Ergersheimer, daß sie übermäßig mit Steuern belastet würden und beschwerten sich erneut beim Kaiser. Sie wollten auch den Schutzherrn wechseln (schon 1731 und 1732), doch der Bischof von Würzburg lehnte ab, weil sie Protestanten waren, und der sogar vom Kaiser bestimmte Bischof von Bamberg sowie der Herzog von Sachsen-Gotha konnten sich gegenüber den Markgrafen nicht durchsetzen. Selbst eine vom Kaiser eingesetzte Vermittlungskommision scheiterte.

Dies veranlaßte den Kaiser zu einem persönlichen Schreiben vom 03. September 1739 an den Markgrafen in Ansbach:

„…. Nachdem sie durch ihren Anwalt erklären ließen, dass in Zukunft und solange der Rechtsstreit anhängig ist, nicht die mindeste Tat, Angriff oder Verhaftung, gegen die klagenden Ergersheimer Gemeindeleute verhängt oder verstattet werden soll, vielmehr daß den uffenheimischen Beamten auf das Nachdrücklichste und Schärfste, allenfalls auch bei Strafe der Entlassung anbefohlen worden sei, sich aller Neuerungen, Tätlichkeiten und Verhaftungen auf das Sorgfältigste zu enthalten, so nehmen wir solche Erklärung und ihre Befolgung hiemit gnädigst an, jedoch in der sicheren Erwartung, dass sie ihrem fürstlichen Wort auch den gehörigen Nachdruck geben und künftig die armen Gemeindeleute zu Ergersheim mit allen unbefugten Gewalttätigkeiten jederzeit verschonen lassen….“

In ihrer Dorfchronik sind darüber hinaus viele Urkunden enthalten (insbesondere Schutzbriefe der Markgrafen und Gehorsamserklä-rungen der Ergersheimer), die über Jahrhunderte hinweg ein oft angespanntes Herrschafts-Untertanen-Verhältnis bezeugen.

Nun, ich maße mir hierüber kein endgültiges Urteil an, das überlas-se ich lieber den Historikern – doch eines weiß ich aus eigener langjähriger Erfahrung, die Ergersheimer sind wie ihr Wein: herb und erdig, charaktervoll und liebenswert, gerade weil sie nicht immer gleich alles akzeptieren, was ihnen ihr jeweiliger Landesherr vorgibt!

Heute wird der mündige Bürger gefordert und die Ergersheimer haben bei der Gebiets- und Schulreform, um nur zwei Beispiele zu nennen, doch recht nachdrücklich bewiesen, dass sie ihr Recht auf Selbstverwaltung gegenüber der staatlichen Organisationsgewalt eindrucksvoll vertreten konnten, auch wenn sie sich nicht immer durchsetzten. Hier werden offenbar Charaktereigenschaften deutlich, die in einem langen Werdegang der Geschichte ihre besondere Ausprägung erfahren haben.

Übrigens, die älteste Urkunde über den Weinanbau in Ergersheim, die mir bekannt ist, stammt vom 23. Dezember 1265, mit der ein Lupoldus zu Nortemberg dem Augustiner-Frauenkloster in Rothenburg „zu Ehren der hl. Maria und zu seinem und seiner Frau Seelenheil “ alle Einkünfte von Gütern und Weinbergen in Ergersheim geschenkt hat. Die älteste Urkunde über den Weinanbau in Main-Franken stammt aus dem Jahre 770 (Kloster Fulda, betr. Münnerstadt). Der in jüngster Zeit in Ergersheim wieder zunehmende Weinanbau darf als ein weiteres Standbein der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet werden und der Altenberg ist eine gute historische Lage, auch wenn das frühere Wahrzeichen, die Altenburg, schon im Jahre 1291 von den Hohenlohern an die Johanniter in Rothenburg verkauft und im Jahre 1381 von den Windsheimern „mit Heeresmacht“ zerstört wurde.

Schwere Zeiten – Vom 30-jährigen Krieg bis zum Dritten Reich

… bei der Landnahme, im Mittelalter, während Reformation und Gegenreformation, im 30-jährigen Krieg, während der napoleonischen Feldzüge und nicht zuletzt in den beiden Weltkriegen – viel könnte und müßte man darüber berichten!

Hier nur ein Beispiel aus dem 30-jährigen Krieg:
„1634: Die Kaiserlichen kamen in unser Land und raubten und verwüsteten alles so weit, daß weder Rind noch Pferd, Schweine, Federvieh und dgl. in den Städten und Dörfern übrigblieben. Kein Mensch durfte sich auf dem Land blicken lassen, ihm wurde nach gejagt wie einem Wild. Er wurde ergriffen, unbarmherzig geschlagen, nackt an den heißen Ofen gebunden, aufgehängt, mit Rauch erstickt, mit Wasser und Jauche geträngt, was die Soldaten den Leuten aus Zubern in den Mund schütteten und mit Füßen auf ihren dicken Bäuchen herumsprangen. Dieser barbarische Trunk wurde der „Schwedentrunk“ genannt“.

Die schlimmste Zeit waren die 30-er Jahre, wo die Gegend bald von den Kaiserlichen, bald von den Schweden heimgesucht wurde. Während z.B. die Truppen Tilly´s 1631 in Windsheim lagen, plünderten die Soldaten die umliegenden Ortschaften aus und branden die Häuser nieder. Dann kam 1632 Gustav Adolf ebenfalls nach Windsheim. Damals war die Lage so, daß sein 40-tausend Mann starkes Heer in den Dörfern der Umgebung nicht mehr den notwendigen Unterhalt finden konnte, weil die Menschen in die nahegelegenen Wälder geflohen waren.

Das folgende bekannte Gedicht stammt aus dieser Zeit:

Der Schwede ist komme,
hat alles mitgenomme.
Hat Fenster eingschlage,
hat´s Blei davon trage,
hat Kugeln draus gossen
und die Bauern erschossen.

Gleichzeitig wütete die Pest dermaßen, dass allein im Jahre 1636 155 Personen verstarben – und bis zum westfälischen Frieden im Jahre 1648 ist auch am Rande des Steigerwalds noch vieles passiert!

Zur Orientierung: Fast ein Jahrhundert verging danach bis zur Zeit des trotzigen Selbstbewußtseins der Ergersheimer (insbesondere in den Jahren 1725 bis 1744), über die bereits berichtet wurde. Und nun schon der Sprung ins 20. Jahrhundert:

Trotz aller Entwicklung in Wissenschaft und Technik, Kunst und Kultur, sowie der Umgestaltung und Modernisierung praktisch aller Lebensbereiche, hat gerade der Mensch sein Elend besonders gesteigert, vor allem, weil er diese rasante Entwicklung geistig nicht so rasch verkraften konnte. Ich darf nur an das Leid der beiden Weltkriege erinnern und an ihre Kriegerdenkmäler, die mit jedem eingemeißelten Namen auch heute noch in das Leben hineinwirken. Dabei darf man die vielen Opfer bei der Zivilbevölkerung nicht vergessen. Zwei Einzelschicksale sollen dies verdeutlichen:
– Der Seenheimer Müller Guckenberger wurde am 12.4.1945 von einer deutschen Offizierspatroullie vor seiner Mühle nur deshalb standrechtlich erschossen, weil er die weiße Fahne gehißt hatte und ein Wahnsinniger und seine fanatischen Gefolgsleute nach dem Motto handelten: „Deutschland wird siegen oder mit uns untergehen!“.

Übrigens wurden die beiden Täter 10 Jahre nach Kriegsende ermittelt und vor Gericht gestellt. Das Ergebnis war ein Freispruch mangels Beweises und eine Verurteilung wegen Totschlags und schwerer Brandstiftung zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus. Ein zu mildes Urteil? Darüber kann man lange diskutieren. Doch eines möchte ich aus eigener Erfahrung bemerken: Es waren bis weit in die 60-er Jahre hinein noch viele Richter tätig, welche ihre positivistische (d.h. nur vom Gesetz ausgehende!) Erziehung und das tief in den vergangenen Jahrhunderten wurzelnde obrigkeitliche Gehorsamsdenken geistig noch nicht bewältigt hatten.

– Der Windsheimer Viehhändler Josef Hirsch wurde als letzter Jude am 20.1.1936 auf dem jüdischen Friedhof in Ermetzhofen beerdigt. Er hatte einen Sohn Max, der im 1. Weltkrieg für Deutschland gefallen ist und einen Sohn Siegfried, der sich 1938 nach Amerika absetzte und von 1941-45 in Afrika und Italien der US-Army im Kampf gegen Deutschland diente.1989 sagte er in New York: „1934 ist das Leben für mich an der Windsheimer Schule sehr unangenehm geworden. Ich wurde nicht mehr am Unterricht beteiligt und zahlreiche Schüler der Klasse wandten sich von mir ab. Keiner sprach mehr mit mir und die Lehrer taten nichts gegen diesen Mißstand.“

Seine Schwester Rose wurde zusammen mit 1000 anderen Juden aus unserem Raum von der Gestapo Nürnberg-Fürth 1942 in ein KZ bei Lublin transportiert und dort ermordet.
Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es urkundlich nachweisbar Juden in Ermetzhofen, Ickelheim, Ipsheim, Markt Erlbach, Welbhausen und vielen anderen Orten. In Uffenheim hat nachweislich bereits im Jahre 1336 eine Judenverfolgung stattgefunden, Schutzbriefe der Markgrafen tolerierten sie dann wieder und meine Mutter erzählte mir, dass sie in den 20-er Jahren mit zahlreichen Juden die Schulbank gedrückt hat.

Doch dann erklärte fast jede Gemeinde stolz, dass sie „judenfrei“ sei – und angstvoll hat kaum jemand gefragt, wo sie hingekommen sind. Zur Problematik des „Dritten Reiches“ noch einige Hinweise: Das Wahlergebnis der Wahl des Reichspräsidenten 1932: Hitler (gegen Hindenburg und Thälmann) 40% im Reich, 85% im Altlandkreis Uffenheim, 95% in Ergersheim (heutiger Gebietsstand). – Wahrscheinlich auch das Ergebnis der jahrhundertelangen Demütigung und Willkür der Landesherrn und der ersehnte Aufbruch in eine neue Zeit – wenn auch wieder mit einer bitteren Enttäuschung endend!

Der Ergersheimer Pfarrerssohn Ludwig Kießling, später langjähriger und tatkräftiger Bürgermeister von Bad Windsheim, sagte wenige Tage nach der Machtergreifung und nach einem Marsch der SA-Stürme Uffenheim, Gollhofen und Ermetzhofen zu den schneidigen Märschen der Musikkapelle Gollhofen in einer Versammlung in Uffenheim: „Gott sei Dank, dass er uns den Sieg gegeben hat! Wir müssen weiter kämpfen und dem deutschen Volke die Ziele der nationalsozialistischen Bewegung einhämmern“.

War es Begeisterung für eine vaterländische und völkische Idee, aufgestauter Untertanengeist, ideologische Verblendung, der Glaube an vereinfachende Stammtischparolen, der fanatische und verbrecherische Wille einzelner oder die irregeleitete Hoffnung vieler ? Oder das geringe mutige Bekennen – vielleicht alles zusammen ?

Karl der Große und die Europäische Union

Doch zurück zu Karl dem Großen, den „Vater Europas“. Er hat z.Zt. der ersten urkundlichen Erwähnung von Ergersheim ein großes Reich geschaffen, „das bis heute die politischen, gesellschaftli-chen, kulturellen und religiösen Strukturen Europas vorgeprägt hat“ (so der Historiker Friedrich Heer im Jahre 1975).

Seine Eroberungen erfolgten mit dem Schwert, doch er hat auch bedeutende kulturelle Reformen begonnen – eine einheitliche Schrift (die karolingische Minuskel) eingeführt, die Kunst der frühen Christen zum Vorbild für höfische Architekten, Buchmaler und Elfenbeinschnitzer gemacht und die Entwicklung von Handel und Handwerk in allen Landesteilen sehr geprägt. Doch sein Reich zerfiel sehr bald in die sich dann entwickelnden europäischen Einzelstaaten mit den vielfältigsten Fürstentümern, die sich gegenseitig im Laufe der Jahrhunderte bekämpften. Machtpolitik beherrschte die Geschichte, auch wenn Kunst und Kultur, Handel und Wandel in Teilbereichen oftmals blühten.

Das heutige Europa wurde auch aus Kämpfen und unermeßlichem Leid geboren, doch mit der entscheidenden Erkenntnis, daß nicht Machtpolitik, sondern Recht und gegenseitiges Verständnis die Grundlage des menschlichen und staatlichen Zusammenlebens sein müssen. Dies eröffnete eine große Chance, die zunächst im westlichen Europa realisiert, dann aber auch im östlichen Europa möglich wurde – durch eine friedliche Revolution, die zum Zusammenbruch des Kommunismus führte.

Doch große Gebilde zerbrechen leicht, weshalb wir alles tun sollten, um heute drohende Gefahren abzuwenden: Ich meine z.B. die oft unausgewogene Zentralisierung und Überbürokratisierung in der EU. Ein Sprichwort sagt: „Wer zu viele Normen sät, erntet keine Gerechtigkeit!“ – vor allem, wenn man dem dezentralisierten Ei-genleben der einzelnen Regionen zu wenig Raum lässt und deren Gestaltungsfreiräume unangemessen einengt, so wie es gerade die Ergersheimer im Laufe ihrer Geschichte vielfach erlebt haben.

Ich meine aber auch die verantwortungsbewußte Gestaltung dieser Freiräume im kommunalen Bereich im Spannungsfeld zwischen repräsentativer Demokratie und bürgerschaftlicher Mitwirkung, wobei die Interessen einzelner und von Minderheiten so weit wie möglich zu beachten sind, letztlich sich aber dem Gemeinwohl unterordnen müssen. Dabei kann eine lebendige Demokratie gerade in einer örtlichen Gemeinschaft nur dann gedeihen, wenn sie von Engagement und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist.

Hinzu kommt die radikale Globalisierung und Profitmaximierung unserer Wirtschaft. Eine – wie ich meine – nur scheinbare Liberalisierung im Sinne einer Schaffung größerer Freiräume, weil sie zu einseitig erfolgt. Dadurch werden unausgewogene Machtstrukturen geschaffen, die genauso schnell zerbrechen können wie alle Gebilde, die den Menschen in seinem jeweiligen sozialen Gefüge und in seinem Willen zur Eigenverantwortung mißachten.

Nur das Verständnis für und die Achtung vor dem Eigenleben der kleinen sozioökonomischen Strukturen, gerade auch in den kleineren Gemeinden, geben uns die Chance, ein wirklich dauerhaftes Europa der Vaterländer zu bauen. Ihre Partnerschaft mit der Gemeinde Ergersheim aus dem Elsaß kann und wird sicherlich dafür ein wesentlicher Baustein sein.

In diesem Sinne wünsche ich der gesamten Gemeinde Ergersheim und ihrer elsäßischen Partnergemeinde in einem geeinten Europa, das sich der Freiheit, dem Recht und dem Wohl all seiner Menschen verpflichtet fühlt, für das gerade jetzt erst beginnende Jahrtausend ein kräftiges Blühen, Wachsen und Gedeihen.